Exkursion in ein Chateau im französischen Dorf Barbirey Sur Ouche. Unter der Betreuung von Prof. Kai Buchholz und Tobias Becker fand ein Kompaktkurs über eine Woche statt. Der Fokus lag auf der typographischen Gestaltung eines Textes dem Inhalt entsprechend. Die Texte wurden auf verschiedene Art und Weisen analysiert und verinnerlicht. Anhand eines Repertoires an Schriften und Vorgaben zum Format wurden die Texte experimentell gestaltet.

I.2

Die Totenstille ist ein sich selbst steigerndes Wort. Die einfache Stille wird durch den Zusatz des Tods zur absoluten, endgültigen Stille. Dieser Charakter bewirkt eine Umsetzung dieser Aufgabe in die Extreme. So sitzt das Wort am untersten Ende des Formats und stößt mit der Leserichtung an den rechten Rand. Die Totenstille verschwindet aber nicht, sondern ist allumfassend und wirkt sich auf den Weißraum des Formats als weite Leere aus.

II.2

Die Wörter wurden in ihrer Bedeutung vom Positivsten zum Negativsten sortiert.

II.4

Bei der ersten Umsetzung des Gedichts habe ich mich für einen einfachen Aufbau am oberen linken Rand entschieden. Die beiden Rollen des Gedichts haben unterschiedliche Schriften. Die "Reklame", als moderne und aufdringliche Stimme ist fett in einer serifenlosen Schrift gesetzt. Ihre Rolle wird auch mit dem Titel des Gedichts gleichgesetzt, der auf gleiche Art und Weise formatiert ist. Die Gegenstimme, sorgenvoll fragend, ist in einer Serifenschrift gesetzt. Die abwechselnde Struktur des Gedichts durch kleine Einzüge der "Reklame" erkennbar gemacht.

II.6

1956 schreibt Ingeborg Bachmann im Alter von 30 Jahren das Gedicht "Reklame" als Teil des Gedichtbandes "Anrufung des Großen Bären". Das Gedicht erstreckt sich über 20 Zeilen mit verschiedenen Längen und Rhythmen. Eine Regelmäßigkeit in der Betonung ist nicht zu erkennen. Interpunktion und Rechtschreibung sind teilweise ausgelassen und bewusst falsch. Es gibt zwei Rollen – den "Zweifler" und die "Reklame". Diese beiden Rollen sprechen von Zeile zu Zeile abwechselnd. Der "Zweifler" beginnt in der ersten Zeile mit "Wohin aber gehen wir" und offenbart sofort seine Sprache, die sich durch das ganze Gedicht zieht. Seine Fragen, die nicht unbedingt an jemanden direkt gerichtet sind, zeugen von negativer und skeptischer Weltansschauung und klingen verzweifelt und bedrückt. Mit seinen Fragen sucht der "Zweifler" nach Hilfe und wirkt darin auch etwas naiv. Es entsteht der Eindruck er habe auch keine wirkliche Hoffnung Antworten auf seine Fragen zu finden, teilt aber seine Verzweiflung unmissverständlich mit. Er spricht von oder für eine größere Gemeinschaft und spricht verallgemeinert und von keinen konkreten Umständen. Die "Reklame" dagegen meint dem Fragenden helfen zu können und gibt beispielsweise auf die erste Zeile/Frage des "Zweiflers" das Kommentar oder den Rat "ohne sorge sie ohne sorge". Auch damit gibt es bereits einen klaren Einblick in seine Sprache und Position, die er im ganzen Gedicht verwendet. Die Kommentare sind beschwichtigend und wirken als täten sie die Zweifel des Fragenden als unbedeutend ab. Er antwortet den Fragenden nicht direkt, geht nicht auf seine Fragen ein, sondern schlägt dem Fragenden wiederholt und unnachgiebig Zerstreuung und Spaß vor, um seine verzweifelte Situation zu überwinden ("ohne Sorge", "heiter", "musik"). Dabei wirkt er aufdringlich und respektlos. Seine Kommentare trägt er ungefragt bei und er fällt dabei dem Fragenden ins Wort. Dieses Verhalten kann man aber auch als passives Flüstern verstehen, mit dem die "Reklame" versucht den "Zweifler" zu beeinflussen. In der vorletzten Zeile führt der "Zweifler" seine Frage "was aber geschieht" mit "wenn Totenstille" weiter. Daraufhin schweigt die "Reklame", die zuvor noch "am besten" einwarf. Nach einer Pause beendet der "Zweifler" seine Frage mit "eintritt". Dieser Abschluss des Gedichts lässt die Zweifel des "Zweiflers" die Kommentare der "Reklame" übertrumpfen und zeigt deren Grenzen auf. In ihren Rollen kann man den Fragenden als eine gläubige und den Kommentierenden als eine teuflische Figur betrachten. Der Gläubige zweifelt an dem großen Ganzen und stellt seine Fragen womöglich an eine höhere Macht. Es ist womöglich die Frage nach dem Tod die den Gläubigen besorgt. Die teuflische Figur schlägt eine Abwendung von der Vernunft vor und versucht den Gläubigen mit der Sünde zu mehr oder weniger engagiert zu beraten. Diese beiden Figuren können sicherlich vielfach interpretiert und zugeordnet werden. Im Zusammenhang mit dem Titel des Gedichts jedoch kann man die teuflische Figur der "Reklame" zuordnen. Zur Zeit der Verfasssung des Gedichts vollzug diese einen Wandel durchzog und nahm eine neue Position im alltäglichen Leben ein. Diese Reklame findet keine brauchbaren Antworten auf die Fragen und Sorgen der Menschen, die sie sich schon immer gestellt haben, sondern füttert sie mit leeren Versprechungen und Zerstreuung. Vielleicht lässt sich diese Rolle auch auf eine zunehmende Bedeutung der Medien erweitern, die die Beschäftigung mit diesen "großen" Fragen nicht fördert sondern davon ablenkt. Diese Moral ändert nichts daran dass sich diese Fragen nicht verdrängen lassen und weiter eine große Priorität haben. Dies führt letztendich dazu dass auf die Fragen keine vernünftigen Lösungen gefunden werden, sondern durch die oberflächliche Ablenkung die Zweifel wachsen und die Zerstreuung letztendlich keine Rolle mehr spielt und versagt.

II.7

Bei allen drei Variationen wurde zwischen die beiden Stimmen typographisch voneiander getrennt und auf verschiedene Art und Weise in Beziehung gesetzt. Bei der ersten Variante sind die Stimmen nur typographisch voneinander getrennt. Der "Zweifler" in einer normal laufenden Serifenschrift, die "Reklame" kleiner im kursiven Schnitt der gleichen Schrift. Die "Reklame" wird dadurch zu einer flüsternden Stimme, die ständig in die Fragen einwirft und unterbricht. Zudem ist das Gedicht in seine verschiedenen Sinnabschnitte mit Hilfe von Einzügen unterteilt. In den einzelnen Abschnitten wird vom "Zweifler" eine mehr oder weniger vollständige Frage formuliert, die währenddessen mehrfach von der "Reklame" unterbrochen wird. Der erste und der letzte Teil des Gedichts stellen die wichtigsten Abschnitte dar, die die Rollenverteilung und den Inhalt klar verdeutlichen. In den Abschnitten dazwischen wiederholt sich die Grundfrage des Gedichts, sowie die Einwürfe der "Reklame" auf verschiedene Art und Weisen. Die zweite Variante lässt das Gedicht völlig anders verstehen. Typographisch sind die Stimmen wierum auf gleiche Art und Weise voneinander getrennt, jedoch ist der Größenunterschied stärker. In ihrer Anordnung sind die Stimmen diesmal aber mehr vereinheitlicht. Die Zeilenumbrüche des Originals sind entfernt und die abwechselnden Stimmen ergeben zusammen mehr oder weniger sinnvolle Sätze. Die Stimme der "Reklame", die sonst eher unterbricht und stört, fügt sich in die Satzteile des "Zweiflers" ein und verändert somit den Charakter der Aussagen. Durch ein kleinere Schriftgröße und den kursiven Schnitt ist die Reklame in dieser Variante eher eine flüsternde Stimme, die versucht die Sätze des "Zweiflers" in eine positive Richtung zu lenken. Bei der dritten Variante erscheint die "Reklame" diesmal in einer weitlaufenden serfienlosen Schrift und ist im Grauwert gleichwertig mit der Stimme des "Zweiflers". Sie wirkt dadurch etwas leichter und freier. Beide Stimmen sind zentriert, jedoch zueinander verschoben. Während der "Zweifler" etwas nach rechts in die "Verzweiflung" läuft, versucht die "Reklame" sie mit ihrer zentralen Position wieder in die Mitte "zurückzuziehen". Die Verschiebung zeigt die Uneinigkeit und die Spannung zwischen den beiden Stimmen auf und lässt ein Wechselspiel der abwechselnden Zeilen entstehen.

III.2

Der Text besteht aus sehr langen Sätzen, in denen es viele verschachtelete Nebensätze gibt. Dabei gibt es keine Absätze. Die Adjektive sind steigernd und oft auch absolut und manche wie "katholisch-nationalsozialistisch" wiederholen sich oft. Es gibt eine hohe Anzahl an Subjektiven, was auch durch die vielen Wortkreationen entsteht (Wegtäuschen, Wegheucheln, Wegmusizieren, Wegspielen). Außerdem gibt es relativ viele Angaben, meist Adjektive, in Klammern.
III.3 Im Text "Salzburg" von 1975 arbeitet Thomas Bernhard verarbeitet Thomas Bernhard seinen Eindruck seiner Heimatstadt und wie sie ihn geprägt hat. In seiner Kritik gegen die Gesellschaft Salzburgs, verurteilt er kulturelle, bürgerliche und auch bildungspolitische Verhältnisse.

III.4

Der Text "Salzburg" von Thomas Bernhard ist Teil seines Buches "Die Ursache" von 1975. In diesem Werk arbeitet Bernhard seine Kindheit und sein Leben auf und beschäftigt sich mit sich mit seiner Vergangenheit. Bernhard wuchs in Salzburg auf und verbrachte den Großteil seines Lebens dort. Er war bekannt als ein kontroverser, aus der kulturellen Masse herausstechender Charakter und immer ein Mann der starken Worte. In "Die Ursache" klärt er diese Umstände auf. Im Text "Salzburg" widmet er sich dabei seiner Heimatstadt und und kritisiert diese stark. Der Text besteht hauptsächlich aus sehr langen Sätzen die mit vielen starken Adjektiven die Abneigung und Missgunst gegenüber Salzburg ausdrücken. Dabei entstehen auch viele Wortkreationen ("ein Wegtäuschen und ein Wegheucheln und ein Wegmusizieren und Wegspielen") mit denen er seine sehr eigene Meinung gegenüber der Stadt beschreibt. Er schreibt zeitweise voller Leidenschaft und bemängelt vor allem den katholisch-nationalsozialistischen Geist der Stadt, was sich in den besonders vielen Wiederholungen erkennen lässt. Die fehlenden Strukturierungen und Pausen im Text lassen dein Eindruck eines "Abschreibens" seiner aufgestauten Wut entstehen. So gibt es keine Absätze und der Leser ist pausenlos den langen ausdrucksstarken Sätzen ausgesetzt, wodurch sich die zutiefst negative Gemütslage Bernhards ausdrückt. Eine inhaltliche Strukturierung entsteht jedoch trotzdem durch abwechselnd angreifende und relativierende Passagen und Teilen in denen er autobiographisch oder über die Stadt allgemein schreibt. Diese Aspekte habe ich in meinen Entwürfen auf verschiedene Art und Weise verdeutlicht. Im kleinsten Format ist der Text als Flugblatt mit aufklärerischer Absicht gesetzt. Der Text wird hier zur politisch aktivistischen Mitteilung und macht mit starken Auszeichnungen Stimmung. Beim mittleren Format wird die kontroverse Haltung Bernhards allein durch den Condensed Schnitt der Concorde deutlich. Auf dem Titelblatt steht der Name Bernhards über dem Titel des Textes. Bernhard urteilt hart, stellt sich über die Stadt und den verbreiteten Ruf und ist damit ein Aussenseiter, der sich weit von seiner Heimat entfernt hat. Durch Einzüge wird der Text strukturiert und die verschiedenen Textpassagen sichtbar gemacht. Unterschiedliche Laufweiten und Zeilenabstände erhöhen und verringern das Tempo. Das größte Format ist im Stil eines Magazins gestaltet und soll ein junges Publikum ansprechen, das normalerweise nicht an politischen Themen interessiert ist. Der Text ist einfach lesbar in kleinen Textabschnitten gesetzt. Er wird ergänzt durch große Schlagsätze des Textes. Das Titelblatt hingegen gibt einen harmlosen aber zeitgemäßen Eindruck und lässt keinen politischen Text erwarten.